Mothering the Mother

Eigentlich sollte es nur eine Beratung zur Einführung der Beikost sein. Die junge Frau wollte sich über den richtigen Zeitpunkt und die verschiedenen Möglichkeiten für einen guten Beikost - Start informieren.

Ihr Kind ist fast sechs Monate alt und voll gestillt.

Doch das Thema war bald ein anderes....

 

Immer wieder erzählte Elisabeth*) von den verschiedenen Versuchen ihrer Schwiegermutter, dem Enkel, jetzt in der warmen Jahreszeit, Wasser anzubieten. Die Mutter des Säugling wusste, dass Wasser oder Tee nicht nötig sind, sondern Jonas*) einfach mehr gestillt werden will, wenn es heiß ist.

 

Immer wieder wurden die Versuche der Mutter, sich Raum und Gehöhr für ihre Meinung zu schaffen, abgetan.

Ein Onkel wollte Jonas sogar einen Traubenzuckerlolly anbieten:

" Was ist schon dabei, ihn einmal schlecken zu lassen? Es ist doch nur Traubenzucker", so seine Worte.

Es war viel Kraft und  Überzeugungsarbeit notwendig, die Verwandtschaft davon abzuhalten,

Jonas an der Süßikgkeit naschen zu lassen.

 

Und....

....am Ende des Tages wollte ihr Mann wissen, warum sie so entschieden hatte.  Es war kein gutes Gespräch und der Tag, der mit einem schönen Ausflug begann, nahm kein harmonisches Ende...

 

Meine erste Bemerkung in der Beratung:

" Ich denke, das Thema warum Sie hier sind, ist wichtig.

Wichtiger scheint mir, anzusprechen, wie Sie sich vermehrt abgrenzen und schützen können"

Sofort kamen Elisabeth sehr, sehr viele Tränen. Sie hörten die ganze Stunde nicht auf zu fließen.....

 

So viel hatte die junge Mutter geschafft. Die Geburt, das Einleben in die Stillbeziehung,

das ausschließliche Stillen - ganze 6 Monate lang,

die Veränderungen in der Partnerschaft, die Unsicherheiten, das Wochenbett...

Und soviel Leid präsentierte sich in dieser einen Beratungsstunde.

 

Denn kein einziges Mal bekam sie Wertschätzung für ihre Bemühungen.

 

Es sei hier deutlich gesagt:

Es ist eine bereichernde aber auch eine der extremsten Umstellungen im Leben einer Frau, Mutter zu werden.

Wenn diese Mutter in diesen Veränderungen, sich selbst, das Kind und die Partnerschaft nicht aus den Augen verliert, grenzt das schon an ein Ideal.  Die hormonelle Umstellung und die neue Lebenssituation machen außerdem                 jede Mutter verwundbarer und sensibler!

 

Was diese Frau wirklich braucht:

 

- Hilfe zur Selbsthilfe,

- Beistand statt Ratschlag,

- Empathie, 

- feinfühliges Interagieren,

- Loslassen statt Klammern (an eigene Erfahrungen und Richtlinien),

- Neugier statt Abwehr (bezüglich neuen Erkenntnissen in Ernährung und Pflege eines Säuglings)

- Respekt statt Invasion,

- gesunde Distanz  (das Eltern- Paar braucht Zeit für sich)

- den Partner im selben Boot

 

Kurz:  Hauptaufgabe der Omas ist:

Die Mutter "bemuttern" - Mothering the mother

Das braucht eine Mutter im ersten Jahr nach der Geburt ihres Kindes und darüber hinaus.

 

Schwiegermütter und Mütter können das Wochenbett und das erste Jahr mit dem Kind maßgeblich beeinflussen,....

 

.....sehr gut beeinflussen!

 

Mögliche Aufgaben einer(s) Oma/Opa sind:

 

- das Enlasten der Mutter

- beruhigende Gespräche

- Selbstwert stärken

- schon Geschafftes unterstreichen

- eigene Erfahrungen wenig bis gar nicht einbringen

- alle von der Mutter aufgestellten Regeln und

  Angewohnheiten respektieren.

- die eigene Stillgeschichte für sich behalten

- gute Fachliteratur lesen, um sich über neue Standards zu

   informieren.

- sich nicht vor den Partner der Neo- Mama drängen.

   Der Vater ist die zweitwichtigste Bezugsperson des

   Kindes.

- Eigene Unsicherheiten reflektieren und Neues nicht mit

  Mißtrauen sondern mit Neugier begegen.

- Den Besuch vorher ankündigen, immer Essbares

  mitnehmen, Dauer des Besuches mit der Mutter

  absprechen, eher früher als später gehen.

- sich nicht als Fachfrau für Still- und Erziehungsprobleme

  sehen.

- sich eventuell mit einer Fachperson zum

  Informationsgespräch treffen. (Hebamme, Stillberatung)

- sich bewusst werden, dass die überholten

  Empfehlungen aus dem besten Wissen der damaligen

  Erkenntnisse entstanden sind.

- Und dass Neurologen, Hirnforscher, Biologen, Ärtze,

  Bindungsforscher und Psychologen etc diese oben

  genannten Empfehlungen weiterentwickelt haben.

- Den Fokus vom Enkel nehmen, der gut versorgt wird,

- hin zur Mutter, die bedingungslose Hilfe jetzt gut 

  gebrauchen kann. 

 

 

Wissenswertes zum Abschluss:

 

Invasives Verhalten von Müttern, Schwiegermüttern oder anderen Nahestehenden des jungen Eltern - Paares können zur Folge haben:

 

- Milchstau der stillenden Frau

- wunde Brustwarzen durch Verspannungen beim Anlegen

- darauffolgende Mastitiden (Brustentzündungen) und

- Verminderung der  Milchmenge

- Schuldgefühle

- Reizbarkeit

- Zufütterung von Formulanahrung

- vorzeitiges Abstillen

- Partnerschaftskonflikte

- Ängst und Unsicherheiten

- traurige Verstimmung bis

- erhöhtes Risiko postpartaler Depression (PPD)

 

 

© Anezeder Martina IBCLC

 

*) Namen geändert